Die Geschichte des Fliegerhorstes Langenlebarn von

1936 bis 2000

Kurzversion aus der Dissertation von Herrn Dr.Mag. Hubert Prigl.

Anmerkung: Das Hakenkreuz ist ein Symbol dieser Epoche und dient der historischen Korrektheit.

 

Teil I

Die ersten österreichischen Luftstreitkräfte

 

 

 

Einleitung

 

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gelang es mehreren Offizieren und Unteroffizieren der ehemaligen k.u.k. Fliegertruppe eine größere Anzahl an Flugzeugen, Flugzeugmotoren und Luftfahrtgeräten für den neuen Staat „Deutschösterreich“ sicherzustellen und in die neu aufgestellte Volkswehrfliegertruppe einzugliedern. Vom Flugplatz Klagenfurt-Annabichl aus führten Angehörige der Volkswehrfliegergruppe 2a Aufklärungs- und Kampfeinsätze im Rahmen des Kärntner Abwehrkampfes in den Jahren 1918/19 durch.

 

Durch das Inkrafttreten des Friedensvertrages von St.Germain wurde Österreich vorgeschrieben, die vorhandenen Flugzeuge an die Alliierten abzuliefern oder unter deren Aufsicht zu zerstören. Neben der Ablieferung und Zerstörung von Flugzeugen, Flugzeugbestandteilen und Bordwaffen war die Demolierung von Flugplätzen und Flugplatzeinrichtungen ein schwerer Schlag für das neue österreichische Bundesheer.

 

Im Frühjahr 1923 wurde die österreichische Luftfahrt Aktiengesellschaft ÖLAG gegründet. Dadurch konnten mehrere Weltkriegspiloten wieder im Flugdienst eingesetzt werden. Vom österreichischen Bundesheer wurden in der Folgezeit einige Flugzeugführer zur Auffrischung ihrer Kenntnisse der ÖLAG zugeteilt. Im November 1926 gelang es österreichischen Diplomaten, bei der Pariser Botschafterkonferenz zu erreichen, dass in Österreich jährlich zwölf Offiziere zu Piloten ausgebildet werden durften. Offiziell mussten diese Offiziere vom Dienst freigestellt werden. Die Kosten der Fliegerausbildung trugen nach außen hin die Flugschüler selbst. Kopf der Zusammenarbeit zwischen ÖLAG und Bundesheer war Oberst Alexander Löhr.

 

Unter strenger Geheimhaltung begann zu Jahresende 1927 am Flugplatz Wien-Aspern die Schulung der ersten Heeresangehörigen an der ÖLAG-Fliegerschule. Die Flugschüler mussten ständig Zivilkleidung tragen. Als erstes Schulflugzeug konnte ein Doppeldecker vom Typ Udet U-12 „Flamingo“ erworben werden. Bereits am 5. Juli 1928 kam es zum ersten schweren Flugunfall, bei dem die beiden Besatzungsmitglieder, Hauptmann Zdiarsky und Leutnant Dr. Mahnert, starben.

 

Im Frühjahr 1929 wurde die ÖLAG-Fliegerschule vom Flugplatz Wien Aspern nach Graz-Thalerhof verlegt. Der erste Flugzeugführerkurs setzte sich noch aus Angehörigen des Bundesheeres, der Polizei und der ÖLAG zusammen. Alle Flugschüler, Fluglehrer und Techniker trugen während der Ausbildung ÖLAG-Monturen.

 

Zu Beginn des Ausbildungsjahres 1933/34 wurde begonnen, eine Jagdfliegerstaffel aufzustellen. Diese Aufstellung musste unter strengster Geheimhaltung durchgeführt werden.

 

Am 24. Mai 1934 wurde die Übergabe der ÖLAG-Fliegerschule Graz-Thalerhof an das österreichische Bundesheer durchgeführt. Der Schulbetrieb wurde noch bis Jahresende 1934 unter der Führung der ÖLAG geleitet. Die Angehörigen der Fliegerschule wurden in das österreichische Bundesheer übernommen. In der Folgezeit kam es zur Beschaffung einer größeren Anzahl an Flugzeugen durch das Bundesheer. Mit Stichtag 1. Jänner 1935 verfügte das österreichische Bundesheer über 41 Flugzeuge. Die offizielle Geburtsstunde der österreichischen Luftstreitkräfte der Ersten Republik war der 1. Juni 1935: An diesem Tag wurde das Kommando der Luftstreitkräfte offiziell aufgestellt. Erster Kommandant der Luftstreitkräfte wurde Generalmajor Alexander Löhr. Die Zahl der Flugzeuge war zu Jahresbeginn 1935 von 41 auf 84 zu Jahresende gestiegen. Vom österreichischen Bundesheer wurden laufend in- und ausländische Flugzeugtypen getestet und eine Vielzahl an Flugzeugmodellen angekauft. Dieser Umstand führte dazu, dass vom Kommando der Luftstreitkräfte ab dem Jahr 1935 geeignete Plätze für weitere Fliegerhorste gesucht werden mussten.

 

Die erste Stufe des Flugplatzausbauplanes sah die Errichtung der Flugplätze Wörschach (Aigen im Ennstal), Zeltweg, sowie den Ausbau bzw. Wiederaufbau der Flugplätze Graz-Thalerhof und Wiener Neustadt vor. Im Rahmen der zweiten Ausbaustufe sollten die Flugplätze St. Johann in Tirol, St. Pölten und Tulln errichtet werden und bis zum Jahresende 1939 einsatzbereit sein.

 

 

Die Planungsarbeiten zur Errichtung eines Militärflugplatzes im Tullner Feld durch die österreichischen Luftstreitkräfte in den Jahren 1936 bis 1938

 

Die Suche nach einem geeigneten Grundstück zur Errichtung eines Militärflugplatzes im Tullner Feld im Jahr 1936

 

Der Plan zur Errichtung eines militärischen Flugstützpunktes im Raum Tulln geht auf das Jahr 1936 zurück. Mitte der 30er Jahre erhielten die österreichischen Luftstreitkräfte in größerer Zahl neue Flugzeuge aus heimischer Produktion und aus Ankäufen aus dem Ausland. Durch die steigende Zahl an Flugzeugen wurden die bisherigen Flugplätze zu klein. Die österreichischen Luftstreitkräfte erkundeten im ganzen Land geeignete Räume zur Errichtung von neuen Flugplätzen und Flugstützpunkten. Diese Suche führte die Luftstreitkräfte auch in das Tullner Feld.

 

Nach Auswertung der Luftbildaufnahmen und nach Vergleich der geographischen Gegebenheiten und der meteorologischen Bedingungen, stellte sich die große ebene Fläche südlich des Bahndammes der Franz-Josephs-Bahn im Bereich der Marktgemeinde Langenlebarn bei Tulln als besonders geeignet heraus.

Für die Errichtung des Flugstützpunktes südlich der Ortschaft Langenlebarn war die Nähe zu Wien und das Vorhandensein einer Bahnverbindung ausschlaggebend. Das ausgesuchte Gelände liegt südlich der Bahnstrecke Wien - Tulln am Bahnkilometer 30.

 

Auf den zwei Luftbildern, die in den Jahren 1936 bis 1938 entstanden sind, ist das Gelände des Flugplatzes zu erkennen. Besonders bei Bild 2 ist der Straßenverlauf sehr gut ersichtlich.


Der erste Entwurf zur Belegung des Luftstützpunktes Tullner Feld

Nach dem Organisationsplan der Flieger Zahl 285-L/36 sollten auf dem Flugstützpunkt Tulln ab den Jahren 1938/39 folgende Einheiten aufgestellt werden:

- Hafenkompanie

- Aufklärungsstaffel 3

- Aufklärungsstaffel 4

Jede der beiden Aufklärungsstaffeln sollte mit zehn Aufklärungs- und zwei Schulflugzeugen ausgestattet werden. Zu diesem Zeitpunkt war noch keine Typenauswahl getroffen worden.

Im Aufstellungsplan der Luftstreitkräfte für die Jahre 1938/39 war für den Luftbereich Nord die Errichtung des Flughafens Tullner Feld geplant.

 




Luftbild des zukünftigen Flugplatzgeländes

Die geplante Aufstellung eines Jagdgeschwaders auf dem Militärflugplatz Tullner Feld ab dem

Jahr 1939

 

Grundlage für den weiteren Ausbau der Fliegerkräfte war der Aufstellungsplan für 1938, Zahl BMfLV Z. 324-L/1936 vom 16. April 1936:

 

Gegenstand: Standesübersicht der Luftstreitkräfte zum Dislokationsplan 1. Entwurf

 

Am 15. April 1936 übermittelte Oberst Basler von der Organisationsabteilung an Oberstleutnant Aigner fernmündlich den Befehl des Leiters der Sektion III, dass für den Dislokationsplan 1. Entwurf eine Standesübersicht auszuarbeiten ist.

                                               Wien am 16. April 1936

 

Nach der Standesübersicht sollten die Einheiten des Flugfeldes Tullner Feld wie folgt personell und materiell ausgestattet werden:

 

Fliegerhorstkommando :

- Stabsoffiziere

- Offiziere

- Unteroffiziere - Beamte

- Unteroffiziere - zeitlich

- Chargen

- Wehrmänner

- Beamte

1

5

2

2

12

28

1

 

  

An Kraftfahrzeugen sollte das Fliegerhorstkommando erhalten:

             - 2 Personenkraftfahrzeuge

             - 1 Kraftrad

 

Geschwaderkommando III:

- Stabsoffiziere

- Offiziere

- Unteroffiziere - Beamte

- Unteroffiziere – zeitlich

- Chargen

- Wehrmänner

- Beamte

1

3

1

1

5

2

1

 

 

An Flugzeugen sollte das Geschwaderkommando erhalten:

             - 2 Flugzeuge

 

An Kraftfahrzeugen sollte das Geschwaderkommando erhalten:

             - 2 Personenkraftwagen

             - 2 Krafträder

 

* Jagdstaffeln 1/III, 2/III, 3/III: (je Staffel)

- Stabsoffiziere

- Offiziere

- Unteroffiziere - Beamte

- Unteroffiziere - zeitlich

- Chargen

- Wehrmänner

- Beamte

0

5

6

17

33

60

1

 

 

 (nach Korrektur 11)

 (nach Korrektur 12)

 

 

 

  

An Flugzeugen sollte das Geschwaderkommando erhalten:

             - 16 Flugzeuge

 

An Kraftfahrzeugen sollte das Geschwaderkommando erhalten:

             - 3 Personenkraftwagen

             - 2 Krafträder

 

Nach dem Dislokationsplan 324/36 sollten keine Aufklärungseinheiten, sondern ein Jagdgeschwader am Fliegerhorst Tullner Feld stationiert werden. Im Akt der Sektion III Zl. 21-Op/136, Blatt 12 gliedert sich der Luftbereich Nord:

 

Einheit

Fliegerregiment 1 Kommando

Aufklärungsgeschwader

1 Aufklärungsstaffel

1 Akademiker Staffel

1 Jagdgeschwader

1 Jagdgeschwader

selbständiges Aufklärungsgeschwader Nr.1

selbständige Jagdstaffel

Standort

Wien, Karlskaserne

Aspern

Parndorf (Oggau)

Wr. Neustadt

Wr. Neustadt

Tulln

Wels

Salzburg

   

Die Aufbaupläne waren abgeschlossen, als die Deutsche Wehrmacht am 12. März 1938 in Österreich einmarschierte.